
Freie Kommunikation ist für eine lebendige Demokratie elementar und eng verknüpft mit zahlreichen Freiheitsrechten, insbesondere mit der Wissenschafts-, Informations-, Meinungs- und Kunstfreiheit. Das Urheberrecht, mit dem sich im vordigitalen Zeitalter vor allem professionelle Kreative und Medienunternehmen befasst haben, gerät inzwischen vielfach mit der Kommunikationsfreiheit in Konflikt. Das hat Folgen für Wissenschaftler*innen, Lehrer*innen, Aktivist*innen, aber auch für die Urheber*innen selbst. Mit unserem Projekt control © wollen wir grundrechtliche Fragen im Spannungsfeld zwischen Kommunikationsfreiheit und Urheberrecht gerichtlich klären.
In diesem Spannungsverhältnis geht es auch immer wieder um den Schutz unserer Privatsphäre sowie die Grundfesten eines offenen Internets. Entsprechend führen Gesetzesvorschläge zur Verschärfung des Urheberrechts regelmäßig zu Protesten aus der Zivilgesellschaft. Neben Nutzer*innen urheberrechtlich geschützter Inhalte brauchen auch Urheber*innen selbst Unterstützung, um ihre Rechte in der Auseinandersetzung mit Unternehmen oder dem Staat durchzusetzen.
- Zum Beschluss des Bundeskabinetts: Bundesregierung darf Recht auf Parodie nicht einschränken! (03.02.2021)
- Zum Referentenentwurf für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie: Gesetzesvorschlag für Uploadfilter stärkt die Marktmacht von Google (14.10.2020)
- Zur GFF-Studie zur Verfassungswidrigkeit von Artikel 17 (16.11.2020)
Kulturelles Erbe befreien
Die EU-Urheberrechtsreform birgt viele neue Chancen, kulturelle Schätze zu heben und online zugänglich zu machen. Weil das Urheberrecht für 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bzw. der Urheberin gilt, die kommerzielle Verwertung neuer Werke aber meist nach wenigen Jahren endet, ist ein Großteil unseres kulturellen Erbes heute überhaupt nicht online zugänglich – weder kostenfrei noch gegen Bezahlung. Eine flächendeckende Verfügbarkeit ist nur für die Werke gegeben, die entweder sehr neu sind und sich deshalb noch im kommerziellen Umlauf befinden, oder sehr alt sind und deshalb als gemeinfreie Werke von Kultureinrichtungen öffentlich verfügbar gemacht werden können.
Hilf uns, das freie Netz zu verteidigen! Werde Fördermitglied der GFF!
Dazwischen klafft das „Schwarze Loch des 20. Jahrhunderts“, ein riesiger Schatz an Bildern, Musik, Gedichten, Filmen und alten Zeitungen, die in Archiven verstauben und damit kulturelle Vielfalt und Zugang zu Wissen beschränken. Dieses Problem sollen die neuen Regeln der EU zur Digitalisierung und Verfügbarmachung vergriffener Werke lösen. Wir wollen Bibliotheken, Museen und Archive unterstützen, von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen und damit die Kultur-, Wissenschafts- und Informationsfreiheit stärken.
Uploadfilter verhindern

Die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie birgt Gefahren für die Grundrechte, insbesondere die drohende Einführung verpflichtender Uploadfilter. Diese halten wir für unvereinbar mit der EU-Grundrechtecharta. In der Vergangenheit hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass eine Durchleuchtung aller Uploads von Nutzerinnen einer Plattform auf etwaige Urheberrechtsverletzungen die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer*innen sowie die unternehmerische Freiheit des Plattformanbieters ungebührlich einschränken würde. Je nach Funktionsweise eines solchen Filters könnte auch die damit einhergehende Datenverarbeitung die Grundrechte auf Datenschutz und Vertraulichkeit der Kommunikation einschränken. Kein automatischer Uploadfilter ist in der Lage, zuverlässig zwischen Urheberrechtsverletzungen und legalen Nutzungen im Rahmen von Urheberrechtsschranken zu unterscheiden, Eingriffe in die Meinungs- und Informationsfreiheit sind bei verpflichtenden Uploadfiltern also vorprogrammiert. Deshalb haben unter anderem der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit und dutzende europäische Urheberrechtsprofessor*innen die Vereinbarkeit des Artikel 17 der neuen Urheberrechtsrichtlinie mit den Grundrechten angezweifelt.
Über 5 Millionen Menschen haben eine Petition gegen Uploadfilter unterzeichnet und über hunderttausend sind gegen sie auf die Straße gegangen. Bereits heute führen freiwillig eingesetzte Uploadfilter auf Plattformen zur Sperrung legaler Zitate. In einigen Fällen gibt es sogar Hinweise darauf, dass das auf dem amerikanischen Urheberrecht basierende Notice-and-Takedown-System zur Unterdrückung politischer Berichterstattung genutzt wird. Nach diesem System können Rechteinhaber*innen Urheberrechtsverletzungen an Plattformen melden, die diese dann unverzüglich entfernen müssen. Auch europäische Firmen machen von diesem System Gebrauch. Für die Plattformen ist es dabei oft schwer festzustellen, ob die Hinweise von den echten Rechteinhaber*innen kommen, oder ob jemand aus anderen Gründen erreichen will, dass Inhalte aus dem Netz verschwinden.
Mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie drohen sich diese Gefahren für die Kommunikationsfreiheit zu verschärfen. Das zeigt auch unsere Stellungnahme zum ersten Umsetzungsentwurf des Bundesjustizministeriums: Trotz zahlreicher sinnvoller Schutzvorkehrungen gegen die Sperrung legaler Uploads würde er zu europarechtlich unzulässigen generellen Überwachungspflichten führen. Bis zur Umsetzung des umstrittenen Artikel 17 in deutsches Recht hat der Gesetzgeber noch bis zum Juni 2021 Zeit, aber wir stellen schon jetzt die Weichen, um die Meinungs- und Informationsfreiheit gerichtlich zu verteidigen.
Ab sofort können sich Nutzer*innen oder Urheber*innen unter info@freiheitsrechte.org mit grundrechtlich relevanten Urheberrechtsproblemen an uns wenden.
Wissenschaftsfreiheit garantieren
Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt. Leider treffen Wissenschaftler*innen aber immer wieder auf Barrieren beim Zugang zu Forschungsergebnissen. Die Open Access-Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, unsere meist ohnehin öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse allen frei zugänglich zu machen. Das ist auch im Interesse der Autor*innen, die bislang oft gezwungen waren, die Rechte an ihren Studien an kommerzielle Wissenschaftsverlage abzutreten, ohne selbst am lukrativen Geschäft mit diesen Inhalten zu verdienen. Paywalls behindern den wissenschaftlichen Fortschritt, das hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt. Die Regelungen, die Wissenschaftler*innen eine schnellere Open Access-Publikation ihrer Ergebnisse ermöglichen sollen, sind aber oft so kompliziert gestaltet, dass sie in der Praxis noch zu wenig genutzt werden. Auch wenn urheberrechtlich geschützte Werke Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sind, gibt es oft Probleme. Hier wollen wir durch strategische Klagen Rechtssicherheit im Sinne der Wissenschaftsfreiheit schaffen.
Hilf uns, das freie Netz zu verteidigen! Werde Fördermitglied der GFF!
Pressemitteilungen
- 3. Februar 2021 – Julia Reda zur Urheberrechtsreform: Bundesregierung darf Recht auf Parodie nicht einschränken!
- 14. Oktober 2020: O-Ton Julia Reda: Referentenentwurf zum Urheberrecht macht Uploadfilter unumgänglich
- 23. Juli 2020: EU-Urheberrechtsrichtlinie: Umsetzungsentwurf führt zu europarechtlich unzulässigen generellen Überwachungspflichten
- 24. Juni 2020: Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform – Eingriffe in Grundrechte vorprogrammiert
- 13. April 2020: GFF stärkt grundrechtskonforme Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie – Ehemalige Europaabgeordnete Julia Reda verantwortet neuen Arbeitsschwerpunkt „control ©“
Weitere Informationen
- Fragen und Antworten zu Urheberrecht, Kommunikationsfreiheit und dem GFF-Projekt control ©
- Stellungnahme der GFF zum Referentenentwurf zur Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie (3.11.2020)
- Zum Referentenentwurf für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie: Gesetzesvorschlag für Uploadfilter stärkt die Marktmacht von Google (14.10.2020)
- Unsere Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie
- European Digital Rights – Upload filters? Still no, thanks
- Europäische digitale Bibliothek Europeana – The missing decades: the 20th century black hole in Europeana
- UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit David Kaye – EU muss Urheberrechtsreform mit internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang bringen
- Netzpolitik.org – Pressefreiheit: Wie eine deutsche Firma in Albanien regierungskritische Videos löschen lässt
- Julia Reda – Fatale Filter-Fehlentscheidungen: Warum wir es nicht einfach Software überlassen können, das Netz sauber zu halten
- University of Glasgow UK Copyright and Creative Economy Centre – Offene Briefe von Wissenschaftler*innen zur EU-Urheberrechtsreform
- Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen
Freiheit und Gerechtigkeit brauchen viele Freundinnen und Freunde – werde Fördermitglied der GFF!

control © wird von der Shuttleworth Foundation unterstützt.