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Strategische Klagen gegen die Abschiebung schwerkranker Menschen - Unterstützungs­paket für Anwält*innen

Mit unseren Musterschriftsätzen unterstützen wir Anwält*innen dabei, die überhöhten gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.

Obwohl es dafür keine empirische Grundlage gibt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass Geflüchtete Krankheiten oftmals nur vortäuschen, um eine Abschiebung zu verhindern. Deswegen hat er die gesetzlichen Anforderungen an den Nachweis einer relevanten Erkrankung in den letzten Jahren immer weiter verschärft. Insbesondere für psychisch Kranke ist es kaum noch möglich, ein krankheitsbezogenes Abschiebungshindernis nachzuweisen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), PRO ASYL und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) planen, dagegen im Wege einer oder mehrerer Verfassungsbeschwerden vorzugehen. Im Fokus steht der Ausschluss psychotherapeutischer Expertise bei Geltendmachung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis. Zu diesem Zweck unterstützen wir geeignete Fälle bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren inhaltlich und finanziell.

Zum Merkblatt mit ausführlichen Informationen zum Projekt

Unsere Argumentation:

Im Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, insbesondere bei einer erheblichen, konkreten Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit, dürfen keine überspannten oder gar faktisch kaum erfüllbaren Anforderungen an die prozessuale Mitwirkungspflicht gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.07.2019 – 2 BvR 686/19 – asyl.net: M28020). So liegt es aber hier: Das Aufenthaltsgesetz (§ 60 Abs. 7, § 60a Abs. 2c) legt den asylsuchenden Personen Mitwirkungspflichten auf, die diese in vielen Fällen in der gebotenen Zeit faktisch nicht erfüllen können. Die Beibringung einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung scheitert in der Praxis an zahlreichen praktischen Hürden.

Ein zentrales Problem ist der Ausschluss (psychologischer) psychotherapeutischer Expertise, obwohl Psychotherapeut*innen ebenso wie Psychiater*innen über die erforderliche Sachkunde verfügen, um eine psychische Erkrankung und deren Auswirkungen schlüssig zu diagnostizieren. Es ist für Betroffene innerhalb der kurzen Fristen ihres Verfahrens einfacher, eine Bescheinigung ihres*r behandelnden Psychotherapeuten*in zu bekommen als eine psychiatrische Bescheinigung. In vielen Regionen ist die Versorgung mit Psychiater*innen schlecht. Ob die Behandlungskosten vom Sozialamt übernommen werden, ist je nach Bundesland unsicher. Gleiches gilt für die Dolmetscher*innenkosten. Die ärztliche Bescheinigung, die Betroffene selbst zahlen müssen, kostet mehrere hundert Euro. Wir argumentieren, dass eine psychotherapeutische Bescheinigung gleichermaßen geeignet ist, ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis zu substantiieren.

Der passende Fall:

Um die Verwaltungsgerichte oder spätestens das Bundesverfassungsgericht von dieser Argumentation zu überzeugen, brauchen wir geeignete Fälle. Insbesondere müssen wir mit dem zugrundeliegenden Fall verdeutlichen, wie schwierig es für Geflüchtete in der Praxis ist, die geforderte psychiatrische Bescheinigung zu erhalten. Der Fall sollte folgende Kriterien erfüllen:

  • Die betroffene Person leidet unter einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung (schwere psychische Dekompensation/akute Suizidalität), die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 AufenthG)
  • Umfassende psychotherapeutische Stellungnahme liegt vor oder kann besorgt werden
  • Bereitschaft des Unterstützer*innenkreises, sich systematisch um eine psychiatrische Bescheinigung zu bemühen und dies zu dokumentieren (Anfragen an mehrere Psychiater*innen und Anträge auf Kostenübernahmen bei der Sozialbehörde)

Was wir anbieten:

Wir stellen einerseits umfangreiche Musterschriftsätze mit ausführlichen einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Argumenten zur Verfügung. Diese sollen bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verwendet werden, um den Grundstein für eine anschließende Verfassungsbeschwerde zu legen. Folgen die Verwaltungsgerichte trotz überzeugenden Sachverhalts unserer Argumentation nicht, steigen wir ein und unterstützen bei einer Verfassungsbeschwerde.

Damit die praktischen Schwierigkeiten auch im konkreten Fall veranschaulicht werden können, braucht es umfassende Bemühungen um eine psychiatrische Behandlung und Bescheinigung und ihre Finanzierung durch die Sozialbehörden. Dafür stellen wir Musteranfragen an die Psychiater*innen sowie Musteranträge an die Sozialbehörde zur Verfügung. Dazu zählen insbesondere Anträge auf Übernahme der Behandlungskosten, auf Übernahme der Dolmetscher*innenkosten und auf Übernahme der Kosten für die ärztliche Bescheinigung.

PRO ASYL bietet darüber hinaus für bis zu fünf passende Verfahren finanzielle Zuschüsse aus dem Rechtshilfefonds an (verwaltungsgerichtliches Verfahren erster Instanz: 300,- €; mündliche Verhandlung: 300,- €; Berufungszulassungsantrag: 500,- €; Berufung: 500,- €; Revision: 500,- €, Verfassungsbeschwerde 2000 €). Die Beantragung der Zuschüsse kann dabei außerhalb des sonst üblichen Verfahrens (über die Landesflüchtlingsräte) direkt bei PRO ASYL erfolgen.

Interesse an einer Kooperation?

Ausführliche Erläuterungen zu den Fallkriterien und zum Ablauf finden Sie hier

Unsere Musterschriftsätze:

  • Musterschriftsatz zur Amtsermittlungspflicht im behördlichen Verfahren bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Erkrankung im Hauptsacheverfahren – hier: psychotherapeutische Stellungnahme (.doc); (.pdf)
  • Musterschriftsatz zur weiteren richterlichen Sachaufklärungspflicht bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Erkrankung im Hauptsacheverfahren – hier: Psychologische psychotherapeutische Stellungnahme (.doc); (.pdf)
  • Musterschriftsatz zu den Substantiierungsanforderungen im Eilverfahren bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Erkrankung – hier: Psychologische psychotherapeutische Stellungnahme (.doc); (.pdf)
  • Erläuterung zu den Musterschriftsätzen (.doc); (.pdf)

Unsere Musteranfragen und Anträge finden Sie hier:

  • Musteranfrage an Psychiater*innen (.doc); (.pdf)
  • Musterantrag Kostenübernahme für ärztliche Bescheinigung SGB XII (.doc); (.pdf)
  • Musterantrag Kostenübernahme für ärztliche Bescheinigung AsylbLG (.doc); (.pdf)
  • Musterantrag Kostenübernahme Sprachmittlung AsylbLG (.doc); (.pdf)
  • Musterantrag Kostenübernahme Sprachmittlung SGB XII (.doc); (.pdf)
  • Musterantrag Kostenübernahme Behandlungskosten AsylbLG (.doc); (.pdf)

Wir suchen geeignete Fälle!

Gemeinsam mit Pro Asyl und der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer planen wir, gegen den Ausschluss psychotherapeutischer Expertise im Asylverfahren im Wege einer oder mehrerer Verfassungsbeschwerden vorzugehen. Wir sind derzeit auf der Suche nach geeigneten Fällen, die wir im verwaltungsgerichtlichen Verfahren finanziell und inhaltlich unterstützen und perspektivisch ggf. vor das Bundesverfassungsgericht bringen können. Bei Interesse oder Hinweisen melden Sie sich bitte bei uns unter info(a)freiheitsrechte.org.

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