
Verfassungswidriges Bundesverfassungsschutzgesetz
Das Bundesverfassungsschutzgesetz ermächtigt den Inlandsgeheimdienst, persönliche Daten ohne ausreichend strenge Hürden an andere Behörden weiterzugeben. Dagegen ziehen wir nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht.
Der Verfassungsschutz hat enorm weitreichende Befugnisse zur Überwachung der Bevölkerung – deutlich mehr noch als die Polizei. Das ist nur gerechtfertigt, weil die Geheimdienste in Deutschland von der Polizei streng getrennt sind und selbst keinen Zwang ausüben dürfen. Dieses sogenannte Trennungsprinzip ist eine wichtige Lehre aus dem Nationalsozialismus und verhindert staatlichen Machtmissbrauch. Zuletzt stärke das Bundesverfassungsgericht in der von uns erwirkten Entscheidung zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz die Trennung, indem es Hürden für den Informationsaustausch hochzog.
Daher darf der Verfassungsschutz auch nur unter strengen Voraussetzungen Informationen aus der Überwachung von Menschen mit anderen Behörden teilen. Doch Ende 2023 wurde das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert: Der Geheimdienst wurde dazu ermächtigt, unter sehr geringen Voraussetzungen persönliche Daten weiterzugeben. Damit unterläuft der Gesetzgeber den Schutz der Bevölkerung vor Machtmissbrauch.
Geheimdienstliche Datenweitergabe auch ohne konkretisierte Gefahr?
Das Bundesverfassungsschutzgesetz erlaubt nun Datenübermittlungen, damit andere Behörden die Informationen für Eignungs- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen nutzen können. Dafür müssen keine tatsächlichen Hinweise für eine konkrete Gefahr vorliegen. Solche Überprüfungen werden von vielen Behörden in weiten Bereichen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Lebens durchgeführt. Dazu gehören einerseits besonders gefährliche Aktivitäten, wie etwa der Umgang mit Waffen, Munition und Sprengstoff, Tätigkeiten im Bereich der Kernenergie oder auch die Luftfahrt.
Andererseits finden solche Überprüfungen auch in vielen Bereichen statt, in denen es nicht um sonderlich gefährliche Tätigkeiten geht. Darunter fällt beispielsweise der Betrieb von Gaststätten, die Tätigkeit in Kinder- und Jugendeinrichtungen, die Erteilung von Führerscheinen oder die Einbürgerung. Die Übermittlungsbefugnis hat damit eine sehr hohe Streubreite – von der Gewerbeaufsicht über die Fahrerlaubnis-Behörde bis hin zur Ausländerbehörde.
Datenweitergabe muss an strenge Voraussetzungen geknüpft sein
Unsere freiheitliche Demokratie braucht eine starke Zivilgesellschaft mit vielen Menschen, die sich politisch einbringen. Wer etwa eine Gaststätte betreibt und zugleich politisch aktiv ist, soll nicht fürchten müssen, dass der Verfassungsschutz geheimdienstliche Daten zum politischen Engagement an das Gewerbeamt weiterleitet und das Lokal anschließend geschlossen wird.
Gemeinsam mit mehreren Klimaaktivist*innen, darunter Lisa Poettinger und Jonny Parks, sowie dem Betreiber einer linken Szenekneipe in Berlin haben wir deshalb Klage erhoben. Wir wollen erreichen, dass der Verfassungsschutz Daten bei Eignungs- und Zuverlässigkeitsüberprüfungen nur übermitteln darf, wenn es sich um besonders gefährliche Tätigkeiten handelt. In allen anderen Bereichen sollten Daten nur dann übermittelt werden dürfen, wenn tatsächlich eine konkretisierte Gefahr für ein wichtiges Rechtsgut besteht. Daneben klagen wir auch gegen die nicht ausreichend begrenzte Übermittlung von Daten an Strafverfolgungsbehörden. Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Geheimdienstbefugnisse zu begrenzen – und so die Menschen vor der Gefahr staatlichen Machtmissbrauchs schützt.
Nach Erfolgen in Bayern und Hessen: Wir kämpfen weiter
Unsere Klage gegen das Bundesverfassungsschutzgesetz knüpft an unsere zwei erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Verfassungsschutzgesetze in Bayern und Hessen an. Im April 2022 gab das Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen unserer Klage gegen das Bayerische Verfassungsschutzgesetz statt und setzte dem bayerischen Geheimdienst klare Grenzen. Im September 2024 erklärt das Gericht dann weite Teile des novellierten Hessischen Verfassungsschutzgesetzes für verfassungswidrig. Das zeigt: Unsere strategischen Klagen gegen uferlose Geheimdienstbefugnisse wirken!
