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Schutzversprechen gebrochen: GFF zieht mit ehemaligem Richter gegen drohende Abschiebung an die Taliban vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Berlin/Straßburg, 17. Dezember 2025 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) beantragt mit einem ehemaligen afghanischen Richter und seiner Familie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einstweiligen Rechtsschutz gegen Deutschland. Die Familie verlangt Schutz gegen die ihr drohende Abschiebung durch Pakistan. Die Bundesregierung hatte den schutzsuchenden Afghan*innen vor fast drei Jahren die Aufnahme zugesagt und sie durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Pakistan untergebracht. Jetzt zog die Bundesregierung die Zusagen zurück und lehnte die Visa-Anträge ab. Die pakistanische Regierung hat bereits angekündigt, dass sie die die etwa 1.900 Afghan*innen aus deutschen Aufnahmeprogrammen im Januar in die Hände der Taliban abschieben wird. Der EGMR muss klarstellen, dass die Bundesregierung die Familie schützen muss und dass sie ihre Aufnahmezusagen nicht aufheben kann, ohne die damit verbundene Gefahr von Folter und Tod in Afghanistan zu berücksichtigen.

„Die Bundesregierung bricht ihr Wort und schickt die afghanischen Schutzsuchenden zurück in die Hände der Taliban. Dieser eklatante Verstoß gegen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit kann so nicht stehenbleiben – und wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir suchen jetzt Schutz für die Familie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“, erklärt GFF-Juristin Mareile Dedekind.

Die GFF zieht gemeinsam mit Equal Rights Beyond Borders vor den EGMR. Dort vertritt Rechtsanwalt Julius Becker die Beschwerdeführenden. Derzeit hält Deutschland daran fest, das Schutzversprechen ohne Berücksichtigung der Menschenrechte aufzulösen. Damit droht eine Verletzung des Rechts auf Leben und des Folterverbots aus der europäischen Menschenrechtskonvention. Die EMRK schützt auch davor, dass Menschen in Staaten zurückgeschickt werden, in denen ihnen Folter und Tod droht (Non-refoulement).

Zuvor hatte die GFF mit der Familie Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Das Gericht hatte die Bundesregierung angewiesen, die Visa-Anträge der Familien zügig zu entscheiden, sich ansonsten aber nicht inhaltlich zu einem Anspruch auf die Visa geäußert. Die Bundesregierung lehnte den Antrag der Familie sodann ab, ohne auf die Gefährdungslage der Beschwerdeführenden und ihre Grund- und Menschenrechte einzugehen. Der Familienvater war bis zur Machtergreifung der Taliban oberster Richter in Afghanistan als. Er verurteilte in dieser Funktion eine Vielzahl von Taliban-Mitgliedern, die ihm und seiner Familie heute mit dem Tod drohen.

Mit dem Gang nach Straßburg will die GFF die betroffene Familie vor Folter und Tod schützen. Die Zeit drängt, da Pakistan die afghanischen Schutzsuchenden im Januar nach Afghanistan abschieben will. Die Bundesregierung darf zu dieser Abschiebung nicht beitragen, indem sie den Betroffenen den zuvor versprochenen Schutz entzieht und den Weg für eine Auslieferung an die Taliban freimacht.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Verfassungsbeschwerde eines weiteren ehemaligen afghanischen Richters und seiner Familie am 16. Dezember ab. Das Gericht verweist darauf, dass die Familie nach der inzwischen erfolgten Ablehnung ihrer Visumsanträge erneut Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen kann. Die GFF reichte gestern noch Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin ein. Gleichzeitig hält sie den Weg über die Verwaltungsgerichte für aussichtslos und den Verweis auf diesen Rechtsweg für zynisch: Die eindeutige Rechtsprechung des OVG Berlin steht einem erfolgreichen Eilantrag entgegen und der erneute Gang durch die Instanzen käme überdies angesichts der unmittelbaren Lebensgefahr zu spät. Daher plant die GFF noch diese Woche eine Beschwerde vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen. Der Ausschuss, der die Einhaltung des UN-Zivilpakts überwacht, soll Deutschland anweisen, seine Aufnahmezusage einzuhalten die Familie vor der Abschiebung nach Afghanistan zu schützen.

Mehr Informationen zu den Verfahren finden Sie hier:
https://freiheitsrechte.org/aufnahmeprogramm

Die Arbeit an diesem Projekt wird durch die Stiftung Mercator gefördert.

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Dr. Maria Scharlau
presse@freiheitsrechte.org
Tel. 030/549 08 10 55 – 01579/2493108

Grundrechte verteidigen.